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subject: Das Nilpferd Und Ich [print this page]


Seine Anfnge waren rhrendSeine Anfnge waren rhrend. Aus einer Zigarrenkiste und der Linse einer Laterna Magica bastelte der technikbegeisterte Friedrich

Seidenstcker (1882-1966) mit 17 sein erstes Appartchen, wie er spter schrieb. Als Ingenieur und anschlieend Bildhauer

ausgebildet, als der er allerdings glcklos blieb, wandte sich Seidenstcker in den 1920er-Jahren ausschlielich der Fotografie zu.

Einen groartigen berblick ber sein Schaffen zeigt nun die Berlinische Galerie.

Seine Bilder entstehen aus dem Geist der Amateurfotografie. In einigen Aufnahmen von Autos und Eisenbahnschienen flirtet er zwar ein

wenig mit einer neusachlichen sthetik, aber anders als seine Zeitgenossen Umbo oder Lszl Moholy-Nagy interessierte sich

Seidenstcker kaum fr die Avantgarde und das Neue Sehen. Lieber strzt sich der Fotograf ins Gewimmel der Grostadt Berlin, auf

deren Straen er fortan seine Themen findet. Ausgefeilte Kompositionen sind auch hier seine Sache nicht, dafr besizt Seidenstcker

eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe und ein Gespr fr den richtigen Moment. Menschen und Tiere werden seine bevorzugten Motive, der

ausgeprgte Sinn fr Alltagskomik sein Markenzeichen. Prdestiniert fr den noch jungen Beruf des Fotoreporters, bietet Seidenstcker

seine Aufnahmen groen Zeitschriften wie der Berliner Illustrierten Zeitung oder UHU an mit Erfolg.

In den 1920er- und 30er-Jahren, der produktivsten Zeit Seidenstckers, entsteht seine berhmteste Serie: die Pftzenspringerinnen.

Bei Seidenstcker ist damit noch kein sthetisches Programm verbunden, wie spter bei Henri Cartier-Bresson, der seinen eigenen

Pftzenspringer zum Bild fr die Theorie des Decisive Moment machte. Den Fotografen faszinierte eher die Alltagsqualitt des ebenso

amsanten wie grostdtischen Motivs. Seidenstckers Berlinbilder aus dieser Zeit bestechen durch ihre Wrme und ihren humoristischen

Tonfall. Mehr Menschen am Sonntag als Symphonie der Grostadt, ist vielen seiner Bilder ein Billy-Wilder-Touch eigen und ein

Witz, der gerne ins Anzgliche spielt. Seine Vorliebe fr Dralles und Pralles bei Frauenbildnissen auf den Straen verbindet ihn mit

dem anderen groen Berlinfotografen: Heinrich Zille. Auf seinen Streifzgen durch die Stadt fngt Seidenstcker auch das Leben der

Arbeiter in zahlreichen Momentaufnahmen ein. Seine Schwarz-Wei-Fotos von Bauarbeitern, Straenhndlern, Droschkenkutschern und

Kohletrgern gleichen in ihrem Realismus und der leicht nostalgischen Frbung den Petits Mtiers, die Eugne Atget im Paris der

Jahrhundertwende dokumentierte.

Von einem hnlich empathischen Blick sind seine Eindrcke aus dem kleinbrgerlichen Milieu der Weimarer Republik gekennzeichnet. Es

ist die Zeit, in der Siegfried Kracauers soziologische Studie Die Angestellten erscheint, dessen Beobachtungen sich in

Seidenstckers Aufnahmen von Menschenmengen spiegeln, die sich auf Pltzen, in der U-Bahn, auf dem Jahrmarkt und im Zoo versammeln.

Eher am Rande notiert, ahnt man auf seinen Fotos vom Anfang der 1930er-Jahre, was am Horizont heraufzieht hier ein Hakenkreuzwimpel

in der Hand eines Kindes, dort die Mdchen aus dem BDM, mit geflochtenen Zpfen und gestrkten Hemden. Seidenstcker war ein

exzellenter Beobachter, aber kein politischer Fotograf. Als Fotoreporter fr den jdischen Ullstein-Verlag unterwegs, fanden seine

Bilder in der Folge kaum Absatz, und im Laufe der 1930er-Jahre zog er sich mehr und mehr aus dem Straenleben Berlins zurck.

Dass Seidenstcker ein eher lausiger Atelier- und Aktfotograf war, verschweigt die Ausstellung nicht. Linkisch und ungeschickt in der

Lichtfhrung, aber mit sichtlichem Spa an der erotischen Inszenierung, sorgen vor allem skurrile, in seiner Wohnung geschossene

Farbaufnahmen aus den 1940er-Jahren fr eine Prise unfreiwilliger Komik.

by: aarenbrowns




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